Autor/en | Kretschmann, Johannes |
Titel | Berthold Ottosche Unterrichtsgrundsätze in der Praxis einer öffentlichen Volksschule. II. Altersmundart und Jugendliteratur |
Ort | Dresden |
Datum | 1928.09.19 |
Zusatz | Aus: Sächsische Schulzeitung. Jahrgang 95, Nr. 29 |
Anmerkungen | "Das sprechende Kind hat mit seiner Sprache immer recht, selbst dann, wenn wir glauben, daß wir einen grammatikalischen oder logischen Fehler oder Mißverständnisse anderer Art nachweisen können. Die Sprache des Kindes entspricht ganz ganau seiner Weise, die Welt und die einzelnen Dinge, über die es gerade spricht, zu betrachten. Denn beides ist ein und dasselbe. Wenn das Kind nach einigen Wochen oder nach einigen Tagen anders spricht, so hat es eben inzwischen sein Weltbild um etwas geändert." (S.589) ..................................................... "Also: was das Kind nicht sprachlich wiedergeben kann, ja alles, was wir alle nicht sprachlich wiedergeben können, das hat das Kind, das haben wir alle eben nicht verstanden. Sprache und Weltbild hänge also notwendig zusammen, sind geradezu wesenseins." (S.589) ..................................................... "Stufenmäßig schreitet das Kind sowohl zur Weltbetrachtung, als auch zur Sprache der erwachsenen Menschen seiner Umgebung vor. In jeder Altersstufe des Kindes findet man die Keime, die das Wachstum zu der allgemeinen Ortsmundart und dem in ihr liegenden Weltbild vorbereiten." (S.589) ..................................................... "Die pädagogische Verwertung der Altersmundart in jeder Form, auch in der Form des gedruckten Buches, ist neben der pädagogischen Verwertung der spontan auftretenden Kinderinteressen einer seiner wichtigsten Unterrichtsgrundsätze." (S.589) ..................................................... "Mit der Benutzung der Altersmundart haben wir die Möglichkeit, uns dem Erkenntnistrieb der Kinder in viel höherem Maße anzupassen. Ganz allgemein und theoretisch gesagt, gewinnen wir die Fähigkeit, 'jedem Kinde jedes Alters über jede Frage aus jeder Wissenschaft die Anwort zu geben, die gerade dem Verständnis dieses Kindes angemessen ist." (S.589) ..................................................... "Ich glaube seit Jahren, daß einem ein Begriff erst dann vollständig bis in die Tiefen hinunter durchsichtig und klar ist, wenn es einem gelungen ist, ihn in der Mundart eines Kindesalters wiederzugeben." (S.590) ..................................................... "Die pädagogische Verwertung der Altersmundart steht also vor allem im Dienste der Geistesbildung. Gleichzeitig aber - und das möchte ich nicht unausgesprochen lassen - dient sie der Charakterbildung und der Pflege des Gemüts. Wer immer nur mit Scheinbegriffen hantiert, ist eigentlich ein Heuchler." (S.590) ..................................................... "Das, was die Arbeitsschule so sehr als Fortschritt preist, das selbständige Erarbeiten eines Gedichts oder eines Lesestückes, ist doch im Grunde nichts weiter, als ein gemeinsames Übersetzen dieses klassischen Stückes in die Altersmundart oder in die Sprechsprache." (S.593) ..................................................... "Der Nutzen der Altersmundartliteratur ist ein doppelter; sie erleichtert dem Kinde das Verständnis, und sie zwingt den Erwachsenen, selbst in die Tiefen des Verständnisses einzudringen, über die ihn die gebildete Sprache immer behutsam hinweggeführt hat." (S.593) |
Archiv | B.-O.-S./II/B/H/V/21 |
Signatur | B.-O.-S./II/B/H/V/21 [18] |
Schlagworte | Alter
Altersmundart Geistiger Verkehr Kind Otto, Berthold Unterricht Volk Volksschule |
Abteilungen | 2 |